Für die Vergabe von Barkrediten gibt es in der Schweiz eine strenge Regulierung. Allerdings halten sich nicht alle Akteure des Kreditgeschäfts an die Spielregeln: Caritas Schweiz hat Anzeichen dafür festgestellt, dass manche Banken systematische Verletzungen in den von ihnen berechneten Budgets für Barkredite begehen. Unterlagen, die ein solches Vorgehen belegen, leitete Caritas für eine vertiefte Prüfung und gegebenenfalls zur Einleitung einer Untersuchung an die FINMA weiter.
Trotz alarmierender Zahlen ist die Thematik der Barkredite in der breiten Öffentlichkeit relativ wenig bekannt. Fakt ist, dass Jahr für Jahr in der Schweiz über 110 000 neue Barkredite über ein durchschnittliches Kreditvolumen von 30 000 Franken mit einer Laufzeit von mehr als 50 Monaten abgeschlossen werden. Diese Zahlen kann man dem Jahresbericht 2016 des Verbands Zentrale für Kreditinformation (ZEK) entnehmen. Der Verschuldungsgrad der Schweizer Privathaushalte gehört gemäss Allianz Global Wealth Report 2017 zu den höchsten weltweit. Diese Barkredite unterliegen dem Bundesgesetz über den Konsumkredit (KKG), dessen vorschriftsmässige Anwendung wiederholt zu wünschen übrig lassen.
Ein strenges Gesetz zur Vermeidung von Überschuldung
Aufgrund der Komplexität des Bereichs Konsumkredit verabschiedete der Gesetzgeber ein Gesetz mit dem Ziel des Konsumentenschutzes, das auch die Barkredite mit abdeckt. Die Budgetberechnungen, die im Rahmen des Kreditvergabeprozesses vorgenommen werden, sind sehr technisch und für den Nicht-Spezialisten weder leistbar noch nachvollziehbar. Für ihre Berechnung braucht es Fachleute. Das explizite Ziel dieses auf den Konsumentenschutz ausgerichteten Gesetzes ist es, der Überschuldung einen Riegel vorzuschieben. Überschuldung wirkt sich negativ auf die Gesamtgesellschaft und jeden einzelnen Haushalt aus, sie zieht Steuerschulden und nicht bezahlte Krankenkassenprämien nach sich. Das bedeutet: Ja zum Konsum, aber in einem klar reglementierten und kontrollierten Rahmen.
Ein für den Konsumkreditbereich spezifisches Budget
Die Vergabe eines Barkredits bedingt, dass der Kreditgeber im Vorfeld die persönliche Finanzsituation des Kreditnehmers auf das Genaueste prüft. Die hierzu verpflichtenden Angaben legt das Gesetz im Detail fest. Die Budgetberechnung ist teilweise verknüpft mit der Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums. Sie berücksichtigt auch die Kosten für den Weg zur Arbeit sowie die Verpflegung am Arbeitsplatz. Doch trotz des Bezugs zum Betreibungsrecht verfolgt das Konsumkreditgesetz bewusst eine andere Zielsetzung: Ein Betreibungsverfahren zielt darauf ab, einen Gläubiger abzufinden. Dagegen geht es bei der Kreditvergabe um die Vermeidung einer Überschuldung bei gleichzeitiger Gewährung eines Barkredits im gesetzlich zulässigen Rahmen. Voraussetzung hierfür ist, dass im Rahmen der Kreditfähigkeitsprüfung die tatsächlichen wie auch die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben herangezogen werden, um die für die Tilgung des Kredits entscheidende verfügbare Quote berechnen zu können.
Anzeichen für wiederholte Gesetzesverletzungen bei bestimmte Banken
Gemäss unserem Kenntnisstand wendet die Mehrheit der Kreditgeber das Gesetz korrekt an. Doch die eingehende Prüfung der Kreditvergabe durch die Juristinnen der Schuldenberatung der Caritas Schweiz ergab, dass einige auf Konsumentenkredite spezialisierte Finanzinstitute wiederholt die Gesetzesvorgaben missachteten. Diese eingehende Prüfung betrifft rund 200 Barkredite, die diese Banken zwischen 2003 und 2016 gewährten und deren Rückzahlung sich über mehrere Jahre erstreckte. Die Prüfung zeigt klar auf, dass die von einigen Banken durchgeführten Budgetberechnungen systematisch die Kosten für berufliche Verpflegung nicht berücksichtigen und genauso systematisch für die Wegekosten eine Transportpauschale von 100 Franken ansetzten, unabhängig von der Länge des Arbeitsweges. Des Weiteren ist es bei diesen Instituten gang und gäbe, die Steuerzahlungen systematisch tiefer einzuschätzen, als sie effektiv sind, und bei den Krankenkassenprämien statt der zu leistenden Prämienzahlungen den kantonalen Durchschnitt anzusetzen. Werden in der Berechnung die tatsächlichen Zahlen eingesetzt, tritt klar zutage, dass die effektive Finanzkraft der Konsumenten nicht ausreicht, um den Kredit wie gesetzlich vorgeschrieben innerhalb von 36 Monaten zu tilgen. Die Kreditbeträge sind im Verhältnis zur verfügbaren Quote zu hoch, die Bank kann jedoch im Gegenzug für sich selbst einen attraktiveren Jahreszins berechnen. Die Überschuldung der Kreditnehmer ist unvermeidlich. Fakt ist auch, dass gerade diese Kreditinstitute die Ersten in der Gläubigerreihe sind, die eine Betreibung einleiten. Oft haben die Steuergläubiger dann noch das Nachsehen.
Übergabe der Unterlagen an die FINMA
Diese Unregelmässigkeiten wurden bei der Kreditvergabe durch Bankinstitute festgestellt, die der strengen Überwachung durch die Bankenaufsichtsbehörde FINMA unterstehen. Caritas Schweiz hat die Unterlagen für eine vertiefte Prüfung an die FINMA weitergeleitet, damit diese die beobachteten Anzeichen für systematische Verstösse gegen die Gesetzesvorgaben weiterverfolgen und gegebenenfalls eine Untersuchung einleiten kann.
Es obliegt der Aufsichtsbehörde zu prüfen, ob die verfügbare Quote der Kreditnehmer nach einer Korrektur des Budgets insbesondere gemäss den tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben eine ordnungsgemässe Kredittilgung ermöglicht. Des Weiteren soll untersucht werden, ob die von der Schuldenberatung der Caritas Schweiz beobachteten systematischen Verstösse bei der Erfassung von gewissen Ausgaben sich auch bei den Tausenden weiterer Kreditbeziehungen dieser Institute widerspiegeln. Das würde die systematische Verletzung der Gesetzesvorgaben bestätigen, denn es wäre weder plausibel noch realistisch noch akzeptabel, dass kein einziger Kreditnehmer dieser Institute Kosten für berufliche Verpflegung und keiner mehr als 100 Franken berufliche Fahrtkosten hat. Auch dass sich in jedem Kreditvertrag immer wieder der gleiche Fehler bei der Berechnung der Steuerzahlungen eingeschlichen hätte, ist nicht anzunehmen. Sollten sich die Anzeichen für eine systematische Gesetzesverletzung nach einer Untersuchung durch die Bankenaufsichtsbehörde bestätigen, wären Massnahmen zur Wiederherstellung der gesetzlichen Ordnung zu ergreifen.